Geistige Schwelbrände

Der Klimawandel macht mir zu schaffen. Sehr. ich bin schon ganz krank, mir ist schlecht und ich habe Kopfschmerzen. Jedes Mal, wenn ich Nachrichten sehe, jedes Mal, wenn ich Facebook öffne. Denn ich meine nicht den meterologischen Klimawandel, sondern den gesellschaftlichen. Von überall kommen die Hetzer aus ihren Löchern, wittern Morgenluft und verbreiten ihre Thesen – ich habe den Eindruck, dass es seit meinem ersten Text zu diesem Thema noch weit schlimmer geworden ist.

Das Fatale daran ist, dass es schleichend passiert. Rassistische Vorurteile machen sich in der Gesellschaft breit und werden immer normaler. Zwar geht eine Welle der Empörung durch die (sozialen) Medien, wenn ein Andreas Scheuer so plakativ danebenhaut wie mit seiner Äußerung über den „ministrierenden, fußballspielenden Senegalesen, den man nicht wieder los wird“, aber wirklich passieren wird tendenziell nichts. Außer, dass die Stimmung wieder ein wenig mehr vergiftet ist.

Rassismus wird normal

Es wird immer normaler, Polizeiberichte zu posten, in denen der Täter dunkelhäutig ist, oder sich unter Frauen gegenseitig vor möglichen ausländischen Grabschern auf Volksfesten, in Schwimmhallen oder sonstwo zu warnen – gerne auch mal ohne konkreten Anlass, rein prophylaktisch und als lustiges Bildchen mit „witzigem Spruch“ (aka „Meme“). Okay, ich habe mittlerweile auch einsehen müssen, dass es unter den Flüchtlingen und anderen in Deutschland lebenden Ausländern manche gibt, die definitiv keine Engel sind. Die die Gastfreundschaft des aufnehmenden Landes – also in dem Fall unsere – missbrauchen, sich nicht an die Spielregeln halten und tatsächlich eine Gefahr darstellen. Aber, ganz ehrlich: Terroristen würden auch so einen Weg finden, die brauchen nicht zwingend eine Flüchtlingsunterkunft oder offene Grenzen.

Und sorry, Arschlöcher gibt es in jeder Bevölkerungsgruppe. Mir kann keiner erzählen, dass erst seit Ankunft der Flüchtlinge Frauen auf dem Oktoberfest begrabscht werden, alte Leute ausgeraubt werden oder Männer Frauen antanzen, belästigen und bestehlen. Nur – diese Polizeiberichte postet kaum jemand. Ist nicht sensationell genug und passt nicht ins Bild. Man könnte fast glauben, dass weiße, deutschstämmige Täter zu normal für ein Sensationsposting auf Facebook sind.

Schleichende Gewöhnung

Man gewöhnt sich ja an alles – an diese ständige misstrauische Stimmung, an die schwelenden Vorurteile, an die einseitige Wahrnehmung und an Mausrutscher der Damen von Storch & Petry, von Andreas Scheuer und Konsorten. Plötzlich fühlt es sich nicht mehr nach einem NoGo an, die Grenzen dicht zu machen, Obergrenzen einzuführen und Flüchtenden so faktisch ihr verbrieftes Recht auf Asyl und Schutz vor Verfolgung zu verwehren, wenn sie ihr Leben vielleicht erst in der zweiten Jahreshäfte bedroht sehen.

Selbst an die Wahlerfolge der AfD werden wir uns gewöhnen. Ich habe mich dabei erwischt, dass ich schon halbwegs beruhigt war, als die AfD in Berlin am Sonntag „nur“ 14,2 Prozent geholt hat und nicht 20,8 Prozent wie kurz zuvor in Mecklenburg-Vorpommern. Aber, verdammt noch mal – das ist ziemlich genau jeder siebte Wähler! In unserer Hauptstadt! Wie es am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen aussehen wird, daran mag ich gar nicht denken. Auch hier werden die Braunen im blauen Alternativ-Pelz in den Landtag einziehen, da bin ich sicher.

Ich kann die Brandstifterei nicht mehr ertragen

Die Hetzer, die wittern derweil Morgenluft und kommen aus ihren Löchern. Sie fühlen sich zunehmend sicher, testen Grenzen aus, rücken vor in den gesellschaftlichen Konsens und gelangen in Machtpositionen. Sie gewinnen an politischer und rethorischer Erfahrung. Gleichzeitig wird es stetig langweiliger, sich an ihnen abzuarbeiten. Sie werden normal.

Ich will das nicht. Ich kann sie nicht mehr ertragen, diese geistige Brandstifterei. Ich lebe gern hier, ich mag Deutschland, ich mag die Leute, die Landschaft, das Klima. Ich wünschte, das würde mir niemand verderben. Aber an das Christkind glaube ich ja auch nicht mehr.

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